Erste Evakuierungsaktion von Zivilisten aus Stahlwerk in Mariupol
Erstmals hat eine größere Gruppe Zivilisten in einer Evakuierungsaktion das schwer umkämpfte Asow-Stahlwerk im südukrainischen Mariupol verlassen können. Das russische Verteidigungsministerium sprach am Sonntag von insgesamt 46 Menschen in zwei Gruppen, die in Sicherheit gebracht worden seien. Auf ukrainischer Seite war nur von 20 Menschen die Rede. Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sicherte der Ukraine bei einem unangekündigten Besuch in Kiew die Unterstützung der USA zu.
Das Moskauer Ministerium erklärte, am Asow-Stahlwerk seien ein "Waffenstillstand" verhängt und ein "humanitärer Korridor" eingerichtet worden. Am Samstagnachmittag seien dann zunächst 25 Bewohner der an das Werk angrenzenden Wohngebäude in Sicherheit gebracht worden. Später hätten weitere 21 Menschen das Gelände verlassen, "die nach Besimenne gebracht wurden". Die Ortschaft liegt auf halbem Weg zwischen Mariupol und der russischen Grenze.
Frühere Versuche der Evakuierung von Zivilisten aus dem Stahlwerk waren fehlgeschlagen. Alle aus dem Werk fortgebrachten Zivilisten hätten "Unterkunft, Nahrung und die notwendige medizinische Hilfe erhalten", erklärte nun das Moskauer Verteidigungsministerium. Es machte keine Angaben dazu, wohin die erste Gruppe gebracht wurde.
Das ukrainische Asow-Regiment hatte am Samstag mitgeteilt, 20 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, hätten das Werk in der Hoffnung verlassen, ins ukrainisch kontrollierte Saporischschja gebracht zu werden. Das Asow-Regiment hat sich in dem Stahlwerk verschanzt. Die Fabrikanlage ist die letzte Bastion des ukrainischen Widerstands in der durch russische Angriffe weitgehend zerstörten Hafenstadt Mariupol.
Das Asow-Regiment berichtete von heftigem nächtlichen Artilleriefeuer auf die Anlagen. Die ukrainischen Soldaten gaben an, das Industriegelände mit seinen weitläufigen unterirdischen Tunnelanlagen nach weiteren Zivilisten zu durchsuchen. Eine Evakuierung von Verletzten sei vorerst aber nicht geplant.
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew empfing am Samstag Präsident Wolodymyr Selenskyj die US-Politikerin Pelosi. Sie wolle den Ukrainern "für ihren Kampf für die Freiheit" danken, sagte Pelosi in einem von der ukrainischen Präsidentschaft veröffentlichten Video. "Wir versprechen, für Sie da zu sein, bis der Kampf beendet ist."
Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses bekräftigte in einer Erklärung, "dass weitere US-Hilfe auf dem Weg" sei. Es werde in Washington gerade daran gearbeitet, die von Präsident Joe Biden beim Kongress beantragte zusätzliche Unterstützung von 33 Milliarden Dollar (rund 31 Milliarden Euro) für die Ukraine umzusetzen.
Russland setzte insbesondere in der Ostukraine seine Angriffe mit unverminderter Härte vor. Im Donbass versuchen die russischen Truppen, aus dem Norden und Süden kommend, die ukrainischen Streitkräfte einzukesseln. "Es gibt keine klare Frontlinie entlang einer Achse", sagte die ukrainische Militärsprecherin Iryna Rybakowa. "Es ist ein Dorf für sie, ein Dorf für uns." Im Moment seien die Ukrainer nicht in der Lage, die Russen zurückzudrängen.
Selenskyj warnte, Russland habe in der nördlich des Donbass gelegenen Region Charkiw Verstärkungstruppen zusammengezogen. Die Großstadt Charkiw in Grenznähe zu Russland konnten die Angreifer bislang nicht einnehmen. Die nordöstlichen Viertel der zweitgrößten Stadt des Landes wurden zuletzt täglich von Raketen getroffen, wobei nach ukrainischen Angaben immer wieder Zivilisten getötet wurden.
In der Südukraine traf eine russische Rakete den Flughafen von Odessa. Die Landebahn sei dabei zerstört worden, Opfer gebe es nicht, erklärte Gouverneur Maxym Martschenko. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, russische Hochpräzisionsraketen hätten neben der Landebahn einen Hangar "mit Waffen und Munition der USA und der europäischen Ländern" zerstört.
Die EU-Kommission will den Druck auf Russland mit weiteren Strafmaßnahmen erhöhen. Nach Angaben von Diplomaten wird derzeit ein weiteres Sanktionspaket vorbereitet, das auch Einfuhrverbote für russisches Öl beinhaltet. Während vor allem Ungarn noch als potenzieller Blockierer eines dafür nötigen einstimmigen Sanktionsbeschlusses gilt, soll Deutschland diesen Schritt mittlerweile unterstützen.
P.Gomez--LGdM