Moskauer Bolschoi-Theater streicht Aufführungen regierungskritischer Regisseure
Das Moskauer Bolschoi-Theater hat die Aufführungen von zwei Werken gestrichen, die von den Kreml-kritischen Künstlern Kirill Serebrennikow und Timofei Kuljabin inszeniert wurden. Das weltberühmte Theater kündigte an, anstelle des von Serebrennikow komponierten und inszenierten Balletts "Nurejew" und der von Kuljabin in Szene gesetzten Oper "Don Pasquale" würden andere Werke gezeigt. Der inzwischen in Berlin ansässige Serebrennikow erklärte am Montag, er fühle sich von der Absetzung seines Stücks "über die Freiheit" an die Sowjet-Ära erinnert.
Serebrennikow und Kuljabin hatten sich öffentlich gegen den russischen Militäreinsatz in der Ukraine ausgesprochen. Das Theater begründete die Streichungen nicht. Eine Sprecherin teilte der Nachrichtenagentur AFP am Montag mit, sie gebe dazu keinen "offiziellen" Kommentar ab. Der 52-jährige Serebrennikow war Anfang April nach Berlin ausgereist. Der 37-jährige Kuljabin soll sich inzwischen ebenfalls im europäischen Ausland aufhalten.
Nach Angaben des Bolschoi-Theaters vom Sonntag wird es statt der bislang geplanten drei Aufführungen von "Nurejew" eine Inszenierung von "Spartakus" des sowjetischen Komponisten Aram Chatschaturjan zeigen. Diese martialische Oper war schon Anfang April im Bolschoi aufgeführt worden. Laut dem Theater wurden mit den damaligen Einnahmen Hinterbliebene russischer Soldaten unterstützt, die in der Ukraine getötet wurden.
Das Bolschoi-Theater kündigte zudem an, statt der von Kuljabin inszenierten komischen Oper "Don Pasquale" die Oper "Der Barbier von Sevilla" auf den Spielplan zu nehmen.
Serebrennikow war im Juni 2020 in Russland wegen angeblicher Unterschlagung öffentlicher Gelder zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Nach der Hälfte seiner Strafe erlaubten die Behörden ihm aber die Ausreise. Das Verfahren gegen den auch im Ausland berühmten Regisseur war im In- und Ausland als politisch motiviert kritisiert worden. Er selbst wies alle Vorwürfe zurück.
Die Entscheidung des Bolschoi-Theaters, sein Stück über Rudolf Nurejew abzusetzen, der sich als junger Tänzer aus der damaligen Sowjetunion in den Westen absetzte und 1993 an den Folgen von Aids starb, überraschte Serebrennikow nach eigenen Angaben nicht. "Dieses Ballett handelt von dem Streben des Menschen nach Freiheit. Die Freiheit zu schaffen und die Freiheit zu leben", schrieb der Regisseur an AFP.
"Heutzutage ist 'Nurejew' auf der Bühne des Bolschoi-Theaters unangemessen und unmöglich", erklärte er weiter und warf dem Theater vor, es habe "Angst vor unnützen Assoziationen und unbequemen Künstlern". In den Absagen der Aufführungen sah er eine Rückkehr zur Sowjet-Ära.
Nach seiner Ankunft in Berlin im vergangenen Monat hatte Serebrennikow der Nachrichtenagentur AFP gesagt, er empfinde "nur Grauen, Trauer, Scham und Schmerz" angesichts des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine. Auch Kuljabin hatte sich öffentlich gegen den Militäreinsatz ausgesprochen. In den vergangenen Wochen verließen auch mehrere Tänzerinnen und Tänzer das Bolschoi-Theater – unter ihnen die russische Star-Ballerina Olga Smirnowa.
S.Olivares--LGdM