Nur knappes Ja zu EU-Beitritt in Moldau - Moskau wird Einmischung vorgeworfen
Knapper Sieg für die Pro-Europäer in Moldau: Bei einem parallel zur Präsidentschaftswahl abgehaltenen Referendum hat sich eine hauchdünne Mehrheit für eine Verankerung des EU-Beitritts in der Verfassung ausgesprochen. Laut Ergebnissen vom Montag gewann das "Ja"-Lager mit 50,46 Prozent der Stimmen letztlich die Oberhand. Moldaus Präsidentin Maia Sandu selbst lag bei der Wahl über ihre Zukunft als Staatschefin nicht so klar vorn wie erwartet und muss sich nun einer Stichwahl stellen. Sie machte einen "beispiellosen Angriff" auf die Demokratie für den knappen Ausgang verantwortlich - zeigte sich aber kämpferisch.
"Wir haben den ersten Kampf in einem schwierigen Kampf gewonnen, der über die Zukunft unseres Landes entscheiden wird", erklärte Sandu im Onlinedienst Facebook. Weiter rief die 52-Jährige die Menschen im Land auf, bei der zweiten Runde der Wahl am 3. November ihre Stimme abzugeben.
Sandu kam bei der Präsidentschaftswahl zwar auf mehr als 42 Prozent der Stimmen, konnte sich aber keine absolute Mehrheit sichern. Der Kandidat der russlandfreundlichen Sozialisten, Alexandr Stoianoglo, war mit 26 Prozent erfolgreicher als erwartet. Die Beteiligung lag laut Wahlkommission bei 51,6 Prozent.
Bei dem zeitgleich stattgefundenen Referendum zum EU-Beitritt des Landes erreichte das "Ja"-Lager nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen eine knappe Mehrheit von 50,46 Prozent. Zuvor hatte es bereits nach einem Sieg des "Nein"-Lagers ausgesehen. An der Abstimmung teilgenommen hatten fast 50 Prozent der Wahlberechtigten, womit das Quorum für die Gültigkeit deutlich überschritten wurde.
Moldau sei "heute und in den vergangenen Monaten mit einem noch nie dagewesenen Angriff auf die Freiheit und Demokratie in unserem Land konfrontiert", sagte Sandu nach Bekanntwerden der ersten Ergebnisse vor Journalisten in der Hauptstadt Chisinau. "Kriminelle Gruppen, die mit ausländischen Kräften zusammenarbeiten" versuchten, "den demokratischen Prozess zu untergraben".
Sandu bezog sich mit ihrem Vorwurf auf mutmaßliche russische Wahleinmischungen. Sie hatte Moskau wiederholt beschuldigt, sich politisch in der ehemaligen Sowjetrepublik einzumischen. Anfang des Monats hatte die moldauische Polizei einen groß angelegten Wahlbetrug aufgedeckt, bei dem mehr als 100.000 Menschen bestochen worden sein sollen, um im Sinne Moskaus abzustimmen.
Auch die EU warf Moskau eine Einflussnahme bei der Wahl vor, begrüßte aber das Votum zugunsten eines EU-Beitritts. "Angesichts der hybriden Strategien Russlands zeigt Moldau, dass es unabhängig ist, dass es stark ist und dass es eine europäische Zukunft will", schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Onlinenetzwerk X.
Der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sagte in Brüssel, die Abstimmungen in Moldau hätten "unter beispielloser Einmischung und Einschüchterung durch Russland und seine Vertreter" stattgefunden. Polens Regierungschef Donald Tusk lobte Moldau als "mutige Nation", während die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, dem Land zu seiner "Tapferkeit" gratulierte.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach dagegen am Montag von "ziemlich ernsten Anschuldigungen". Er forderte Moldaus Präsidentin Sandu auf, dafür Beweise vorzulegen.
Die Bundesregierung wollte das Wahlergebnis vor Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses nicht näher kommentieren. Deutschland sehe jedoch, "dass Russland und auch prorussische Akteure in großem Umfang versuchen, Moldau zu destabilisieren", sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.
Nach Einschätzung des moldauischen Politikinstituts WatchDog hat Moskau allein in diesem Jahr mehr als hundert Millionen Dollar (92 Millionen Euro) für Einmischungen in die moldauische Politik ausgegeben. Der Kreml wies alle Vorwürfe "kategorisch" zurück.
Das kleine südosteuropäische Land mit 2,6 Millionen Einwohnern grenzt an die Ukraine und an Rumänien. Seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 befürchten viele Moldauer, dass Moskau ihr Land als nächstes angreifen könnte. Sorge bereitet vielen auch die Lage in der russischsprachigen Region Transnistrien, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Moldau abgespalten hatte.
Sandu ist seit 2020 im Amt. Die frühere Ökonomin der Weltbank hat die Beziehungen zu Russland abgebrochen. Kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beantragte sie den EU-Beitritt Moldaus. Seit Juni laufen die offiziellen Beitrittsgespräche zwischen Brüssel und Chisinau.
E.Sanchez--LGdM