Neue EU-Kommission: Entscheidung über Vizepräsidenten vertagt
Das Europaparlament hat seine Entscheidung über die Vizepräsidentinnen und -präsidenten der nächsten EU-Kommission vertagt. Nach Anhörungen des Parlaments am Dienstag in Brüssel mussten der italienische Kandidat Raffaele Fitto und die designierte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas weiter auf ihre Bestätigung warten. Eine Entscheidung über alle sechs Vizepräsidentinnen und -präsidenten könnte nun am Mittwoch fallen, sie könnte sich aber auch noch Tage hinziehen.
Abgeordnete des Mitte-Links-Lagers hatten Fitto in seiner Anhörung scharf angegriffen. Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke warfen ihm vor, rechtspopulistische Ideen statt demokratischer Werte zu vertreten. Fitto stehe für die "Zusammenarbeit mit dem Neo-Faschismus", sagte etwa die spanische Grünen-Abgeordnete Ana Miranda Paz.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will mit Fitto erstmals einen Rechtsaußen-Politiker zu einem der geschäftsführenden Vizepräsidenten in ihrem Team machen. Er soll unter anderem die milliardenschweren EU-Regionalfördermittel verwalten. Die Nominierung des ehemaligen Ministers aus der Partei der ultrarechten italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni sei "ein Beispiel dafür, wie die Rechte in ganz Europa die extreme Rechte reinwäscht", sagte Miranda Paz.
Ihre liberale Kollegin Raquel García aus den Niederlanden forderte Fitto auf, sich von früheren Positionen zu distanzieren. Als EU-Abgeordneter habe er gegen Forderungen nach einem Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Ungarn und gegen mehr Schutz für Frauen gestimmt. Der designierte EU-Kommissar wies dies zurück: Er werde nicht auf "die Einzelheiten der verschiedenen politischen Positionen" eingehen. "Ich bin nicht hier, um eine politische Partei zu vertreten", hatte Fitto eingangs gesagt.
Wegen des Widerstands gegen die Nominierung Fittos planten die Abgeordneten nun, die Entscheidung über alle sechs Vizepräsidentinnen und -präsidenten zu verschieben. Anders als zuvor geplant könnten die Fraktionen dann über das gesamte Personalpaket gleichzeitig verhandeln. Das würde neben Fitto und Kallas auch die Rumänin Roxana Minzatu, den französischen Kandidaten Stéphane Séjourné, die Spanierin Teresa Ribera und die designierte finnische Kommissarin Henna Virkkunen betreffen.
Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) könnte bei bei einer Ablehnung Fittos im Gegenzug insbesondere die Sozialdemokratin Ribera durchfallen lassen, die unter anderem die Wettbewerbspolitik der EU verantworten soll. Auf der Kippe könnte dann auch der Liberale Séjourné stehen, der eine grüne Industriestrategie ausarbeiten soll. Er versprach in seiner Anhörung unter anderem Hilfen, mit denen er die Nachfrage nach Elektroautos ankurbeln will.
Als gesichert gilt trotz der Verschiebung hingegen die Bestätigung der Estin Kallas. Sie war Ende Juni bereits von den EU-Staats- und Regierungschefs nominiert worden. Die 47-Jährige gilt als eine der entschiedensten Unterstützerinnen der Ukraine in Europa. In ihrer Anhörung bezeichnete sie unter anderem einen "Sieg der Ukraine" im Abwehrkrieg gegen die russischen Invasionstruppen als "Priorität" für die Europäische Union.
Zum Wahlsieg von Donald Trump sagte Kallas, sie werde sich um eine Zusammenarbeit mit dem künftigen US-Präsidenten und seiner Regierung bemühen. Allerdings wisse "niemand wirklich, was der gewählte Präsident tun wird", betonte sie. Kallas rief die Europäer zur Geschlossenheit auf, damit die EU geopolitisch eine Rolle spielen könne. "Die Welt steht in Flammen, deshalb müssen wir zusammenstehen", sagte sie.
Neben den sechs Vizepräsidentinnen und -präsidenten steht auch die Bestätigung des designierten Kommissars aus Ungarn, Oliver Varhelyi, noch aus. Unter anderem weil die Abgeordneten Bedenken an seiner Haltung zu Frauenrechten anmeldeten, musste der Vertraute des rechtsnationalistischen ungarischen Regierungschefs Viktor Orban schriftliche Antworten nachliefern. Über Varhelyi könnten die Parlamentarier ebenfalls im Zuge der Verhandlungen über die übrigen Posten entscheiden.
Das Parlament muss der Besetzung der Kommission zustimmen, damit diese planmäßig zum 1. Dezember ihr Amt antreten kann. Dieses Datum könnte sich verschieben, sollten ein Kandidat oder mehrere nicht die nötige Bestätigung des Parlaments erhalten.
Y.Suarez--LGdM