Israel geht trotz Waffenruhe erneut gegen Hisbollah im Südlibanon vor
Zwei Tage nach Inkrafttreten der Waffenruhe im Libanon hat die israelische Armee nach eigenen Angaben erneut die Hisbollah-Miliz angegriffen. Das Militär veröffentlichte am Freitagnachmittag im Onlinedienst X Aufnahmen eines sich langsam fortbewegenden Lastwagens und schrieb von "terroristischen Aktivitäten" und der "Verlegung eines Raketenwerfers", die Gefahr sei dann "mit einem Luftangriff vereitelt" worden. Hisbollah-Chef Naim Kassem versprach unterdessen, mit der libanesischen Armee zusammenarbeiten zu wollen.
Israel hatte bei Abschluss der Waffenruhe mit der Hisbollah angekündigt, weiter gegen Bedrohungen aus dem Libanon vorzugehen. Das israelische Militär verhängte am Freitag für die dritte Nacht in Folge eine Ausgangssperre für den Südlibanon. Es sei den Bewohnern zwischen 17.00 Uhr und 07.00 Uhr Ortszeit "strengstens verboten, sich südlich des Litani-Flusses zu bewegen oder dorthin zu reisen".
Am Donnerstag hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu in einem Fernsehinterview der Hisbollah-Miliz im Falle einer Verletzung der Waffenruhe mit einem "intensiven Krieg" gedroht. Zudem bekräftigte er seinen Willen, "alle verfügbare Mittel" einzusetzen, um den Hisbollah-Unterstützer Iran am Bau einer Atombombe zu hindern.
Nach mehr als einem Jahr zunehmend heftiger Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah war am Mittwochmorgen die Waffenruhe in Kraft getreten. Die von den USA und Frankreich vermittelte Vereinbarung sieht vor, dass die israelischen Truppen den Südlibanon innerhalb von 60 Tagen schrittweise verlassen.
Auch die Hisbollah soll sich aus dem Grenzgebiet bis hinter den Fluss Litani zurückziehen und ihre militärischen Stützpunkte auflösen. Lediglich die libanesische Armee und UN-Blauhelme der Friedensmission Unifil sollen vor Ort verbleiben.
Ein hochrangiger Mitarbeiter der US-Regierung gab vor Journalisten zudem weitere Bedingungen des Abkommens bekannt. Demnach ermöglicht dieses der israelischen Armee zunächst, ihre Stellungen im Libanon zu halten, während die die libanesische Armee und Sicherheitsbehörden mit der Entsendung von Kräften in den Süden beginnen. So solle vermieden werden, dass ein Machtvakuum entstehe, das die Hisbollah oder andere Organisationen ausnutzen könnten.
Erstmals seit Inkrafttreten der Waffenruhe äußerte sich Hisbollah-Chef Kassem in einer Rede. Er verkünde "offiziell und klar, dass wir vor einem großen Sieg stehen, der den vom Juli 2006 übertrifft", sagte Kassem in der aufgezeichneten Ansprache, die am Freitag veröffentlicht wurde. Kassem bezog sich damit auf den Libanon-Krieg von 2006, in dem sich Israel und die Hisbollah bekämpft hatten.
"Wir haben gesiegt, weil wir den Feind daran gehindert haben, die Hisbollah zu zerstören und den Widerstand auszulöschen oder zu schwächen", sagte Kassem zu dem jüngsten Konflikt mit Israel. Kassems Vorgänger Hassan Nasrallah war Ende September nach Jahrzehnten an der Spitze der Hisbollah bei einem israelischen Luftangriff in der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet worden.
Kassem verpflichtete sich in seiner Rede dazu, auf "hohem Niveau" mit der libanesischen Armee zusammenzuarbeiten, um die Vorgaben des Abkommens umzusetzen. Es seien keine "Probleme oder ein Konflikt" mit der Armee zu erwarten.
Zudem kündigte Kassem an, die Unterstützung der Hisbollah für die Palästinenser werde "nicht aufhören und mit anderen Mitteln fortgeführt". Nähere Ausführungen machte er dazu nicht.
Nach dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte die mit der islamistischen Palästinenserorganisation verbündete Hisbollah mit regelmäßigen Raketenangriffen vom Süden des Libanon aus eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Als Reaktion beschoss Israel Hisbollah-Ziele im Nachbarland. Seit September verstärkte die israelische Armee ihre Angriffe deutlich, zudem startete sie Ende September Bodeneinsätze im Süden des Libanon.
Israel hatte zuvor im Sommer 2006 einen verlustreichen Krieg gegen die Hisbollah geführt. In der Folge war die UN-Resolution 1701 verabschiedet worden. Diese sieht unter anderem vor, dass im Grenzgebiet zu Israel lediglich Truppen der UN-Mission Unifil und der libanesischen Armee eingesetzt werden. Die pro-iranische Hisbollah-Miliz blieb ungeachtet dessen in dem Gebiet.
M.Lozano--LGdM