Politik hofft auf Einigung in Entschädigungsstreit wegen Olympia-Attentats von 1972
Im Streit über weitere Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer des Münchner Olympia-Attentats von 1972 ist die Bundesregierung "ausdrücklich" zu weiteren Gesprächen bereit. Sie hoffe, "dass ein Weg gefunden wird, damit sich die Hinterbliebenen doch noch entschließen können, an der Gedenkveranstaltung am 5. September teilzunehmen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Die Angehörigen der israelischen Opfer hatten am Donnerstag ihre Teilnahme abgesagt.
Der Streit zwischen ihnen und der Bundesregierung wegen weiterer Entschädigungszahlen war in den vergangenen Tagen eskaliert. Die deutschen Behörden hätten zwar eine öffentliche Entschuldigung und eine Öffnung der Archive zum Anschlag zugesagt, sagte Ankie Spitzer, Sprecherin der Opferfamilien, der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe aber noch keine Einigung über eine Entschädigung nach "internationalen Standards". Das neue deutsche Entschädigungsangebot belaufe sich auf insgesamt zehn Millionen Euro, welche die bereits ausgezahlte Summe von viereinhalb Millionen Euro beinhalteten.
Hebestreit sagte, dass die Bundesregierung im Hinblick auf die deutsch-israelischen Beziehungen eine Neubewertung des Umgangs mit den Ereignissen damals sowie deren gründliche historische Aufarbeitung für "zwingend erforderlich" halte. Dazu zähle eine Aufarbeitung durch eine Kommission von israelischen und deutschen Historikern, die politische Bewertung, Einordnung und Erinnerung aus heutiger Perspektive im Rahmen der Gedenkveranstaltung sowie die Bereitstellung weiterer Anerkennungsleistungen.
Darum habe sich die Bundesregierung mit dem Land Bayern und der Stadt München entschieden, zusätzlich zu den bisher gezahlten Beträgen weitere Leistungen bereitzustellen. Die Regierung bedauere, "dass es bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht gelungen ist, auf dieser Grundlage mit den Hinterbliebenen zu einem Konsens zu kommen", sagte Hebestreit.
Laut Angehörigensprecherin Spitzer sagten die Behörden den Hinterbliebenen, die Entschädigung müsse "verhältnismäßig" im Vergleich zu den Summen sein, die Opfer von Anschlägen in Deutschland erhielten. Spitzer zufolge ist der Vergleich aber nicht angemessen, weil bei anderen Anschlägen die deutschen Behörden - anders als beim Olympia-Attentat von 1972 - keine Schuld treffe.
Am 5. September 1972 war ein palästinensisches Terrorkommando in das Münchner Olympiagelände eingedrungen und hatte dort Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln genommen. Bei der Geiselnahme und einer missratenen Befreiungsaktion starben elf israelische Sportler und ein deutscher Polizist. Bei der Gedenkfeier in München soll an das Attentat vor 50 Jahren erinnert werden.
"Wir bedauern die Absage sehr", teilte ein Sprecher der bayerischen Staatskanzlei am Freitag AFP mit. Die Verhandlungen würden weiter fortgeführt mit dem Ziel, ein positives Ergebnis zu erreichen.
Der Bundesopferbeauftragte Pascal Kober (FDP) mahnte eine einvernehmliche Lösung an. "Deutschland trägt eine politische Verantwortung, der wir uns stellen müssen, auch und insbesondere im Hinblick auf das einzigartige Verhältnis zu Israel", sagte er dem "Spiegel". Als Opferbeauftragter würde er sich wünschen, dass "gerade auch im Hinblick auf die Zeit, die seit dem Anschlag vergangen ist, eine Lösung gefunden wird, die die Interessen aller Beteiligten bestmöglich vereint".
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, bedauerte die Entscheidung der Hinterbliebenen. "Ich bin der Auffassung, dass die Bundesregierung den Angehörigen und Hinterbliebenen des Olympia-Attentats ein faires Angebot gemacht hat", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es ist an der oberen Grenze dessen, was man heute als Opfer einer terroristischen Straftat bekäme."
Das Leid der Opfer anzuerkennen, sei für die Bundesregierung insgesamt handlungsleitend, sagte Klein weiter. Deswegen würde er sich freuen, wenn es doch noch zu einer Verständigung mit den Opferfamilien käme.
D.F. Felan--LGdM