Warnungen vor Rassismus zu zweitem Jahrestag von Anschlag in Hanau
Zum zweiten Jahrestag des Anschlags von Hanau haben Organisationen und politische Akteure vor zunehmendem Rassismus gewarnt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International rief am Freitag dazu auf, Rassismus in Deutschland einmütig und entschlossen entgegenzutreten. Es müsse Schluss damit sein, "Diskriminierungen und rassistische Gewalt kleinzureden oder gar zu ignorieren", forderte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus Beeko. Die Morde seien "die Spitze eines Eisbergs namens Hasskriminalität".
"Der Schutz vor extremistischer, gruppenbezogener Gewalt ist eine Aufgabe der inneren Sicherheit", sagte Beeko weiter an die Adresse der Regierenden in Bund und Ländern. "Der Staat ist gefordert, gefährdeten Menschen Schutz zu bieten und in Bildung, sozialen Medien und öffentlichen Debatten Rassismus, Antisemitismus und anderen strukturellen Diskriminierungen entgegenzutreten."
Die Integrationsstaatsministerin der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), erklärte zu dem Jahrestag: "Der rassistische und rechtsextremistische Anschlag von Hanau war eine Zäsur für unser Land." Die Getöteten "waren ein Teil von uns, aus der Mitte unserer Gesellschaft", hob sie hervor. "Rechtsextremismus ist aktuell die größte Gefahr für unsere Demokratie."
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte, es sei wichtig, aus dem "Versagen" der Behörden nach der Tat zu lernen. "Wir haben unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht schützen können vor mörderischem Hass und Wahn, die in unserer Gesellschaft wachsen konnten", erklärte er. "Solange in unserem Land Menschen leiden und sterben, weil man sie für 'fremd' erklärt, werden wir auch der Verantwortung nicht gerecht, die uns aus unserer Geschichte erwächst."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, bis Ostern ein Gesetzespaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus vorzustellen. Dazu solle unter anderem gehören, dass werden könnten, aber auch eine Verschärfung des Waffenrechts, sagte sie dem Deutschlandfunk. Teil davon solle sein, dass bei Menschen, die eine Waffenbesitzkarte erlangen möchten, auch die psychische Gesundheit überprüft wird.
Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Britta Haßelmann, und Parteichef Omid Nouripour erklärten, rechtsextreme Gewalt entwachse "einer Atmosphäre, in der vergiftete Worte unwidersprochen bleiben und Hass salonfähig wird". Anhänger der menschenverachtenden Ideologie des Rechtsextremismus schreckten "nicht davor zurück, ganz reale Gewalt aus ihr abzuleiten". "Unser Rechtsstaat und unsere Gesellschaft müssen dagegen wehrhaft sein."
Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler warf den Behörden "Untätigkeit" hinsichtlich des Waffenbesitzes des Täters vor. Den Umgang der Polizei mit den Angehörigen nannte sie "unangemessen". Hanau sei kein Einzelfall. "Rassistischer Terror fordert seit Jahren Opfer und seit Jahren wird in diesem Land zu wenig dagegen getan", kritisierte sie. "Es muss Schluss sein mit dem Gerede von Einzelfällen und Einzeltätern."
Hinterbliebenenanwältin Seda Basay-Yildiz sieht die rechtsextreme Bedrohungslage als gestiegen an. Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund müssten sich genau überlegen, an welchen Orten sie sich aufhielten, sagte sie dem Portal "Zeit Online". Auch in den Sicherheitsbehörden gebe es ein Rassismusproblem. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung habe sich aber etwas verändert - "nämlich das Bewusstsein dafür, dass wir ein Problem mit Rechtsextremismus in Deutschland haben und handeln müssen".
Der hessische Landtagspräsident Boris Rhein (CDU) sprach den Familien der Opfer sein Mitgefühl aus. Mitgefühl alleine reiche aber nicht. Die Aufarbeitung der Tat im Untersuchungsausschuss sei von besonderer Bedeutung. "In unserer Gesellschaft darf kein Platz sein für Hass, Hetze und Rassismus." Am Samstag gedenkt das Land Hessen in Hanau offiziell der Anschlagsopfer.
Am 19. Februar 2020 hatte Tobias R. in der hessischen Stadt neun Menschen mit Migrationshintergrund sowie seine Mutter und sich selbst getötet. Ende Dezember stellte die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen zu dem Anschlag ein. Es gebe keine Anhaltspunkte für Mittäter, Anstifter, Gehilfen oder Mitwisser des Attentäters, erklärte die Behörde. Unter den Angehörigen der Opfer sorgte das für Kritik.
V.Vega--LGdM