Anhaltende Proteste in Frankreich gegen Rentenreform vor Misstrauensvotum im Parlament
Nach den landesweiten Protesten gegen die Rentenreform in Frankreich steht die Regierung am Montag auch im Parlament massiv unter Druck. Wegen des umstrittenen Projekts muss sie sich einem Misstrauensvotum stellen. "Ich denke, es wird keine Mehrheit geben, um die Regierung zu stürzen", sagte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire der Zeitung "Le Parisien" vom Sonntag. Kritiker der Reform hatten ihrem Ärger am Samstag erneut Luft gemacht. Alleine in Paris wurden mehr als 120 Menschen festgenommen.
Le Maire bezeichnete die Abstimmung über die beiden Misstrauensanträge gegen die Regierung als einen "Moment der Wahrheit". "Ist die Rentenreform den Sturz der Regierung und das politische Chaos wert? Die Antwort lautet eindeutig 'nein'", betonte der Minister. Auch Arbeitsminister Olivier Dussopt verteidigte die Reform. Es gehe darum, "unser Rentensystem zu retten", sagte er dem "Journal du Dimanche".
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, dessen Zufriedenheitswerte im März laut einer Umfrage des "Journal du Dimanche" auf den tiefsten Stand seit den "Gelbwesten"-Protesten sanken, will mit der Reform eines seiner wichtigsten Wahlkampfversprechen einlösen. Insbesondere soll das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahe erhöht werden. Dagegen laufen viele Franzosen seit Wochen Sturm.
Die Regierung hatte am Donnerstag einen Verfassungsartikel geltend gemacht, der die Verabschiedung der Rentenreform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung ermöglicht, wenn die Regierung anschließend eingebrachte Misstrauensanträge übersteht.
Die Opposition reichte seitdem zwei Misstrauensanträge ein, über welche die Nationalversammlung am Montagnachmittag beraten wird. Falls eine absolute Mehrheit der Abgeordneten dafür stimmt, ist die Rentenreform abgelehnt und die Regierung muss zurücktreten. Eine Mehrheit für die Misstrauensanträge gilt aber als eher unwahrscheinlich, da die konservativen Republikaner voraussichtlich die Regierung unterstützen werden. Sollte keine absolute Mehrheit für einen Misstrauensantrag zustande kommen, ist die Rentenreform endgültig verabschiedet.
Die Rentenreform sieht auch vor, dass die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1200 Euro angehoben und die Beschäftigung von Senioren gefördert werden soll. Umfragen zufolge lehnen rund zwei Drittel der Französinnen und Franzosen die Reform ab.
Das Vorhaben sorgt seit Wochen für Proteste in Frankreich. Die Entscheidung der Regierung, die Reform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchzusetzen, heizte die Stimmung weiter an.
Nach Ausschreitungen bei Demonstrationen in Paris und anderen Städten am Freitag entlud sich die Wut der Reformgegner auch am Samstag teilweise in Gewalt. In Paris zündeten Demonstranten Mülleimer an, demolierten Bushaltestellen, errichteten Barrikaden und griffen Polizisten an. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein. Insgesamt wurden 122 Menschen in der Hauptstadt festgenommen.
Auch in Städten wie Nantes und Lyon kam es zu vereinzelten Ausschreitungen. Landesweit wurden 169 Demonstranten festgenommen. Für Donnerstag ist ein weiterer landesweiter Protesttag geplant.
Die Gewerkschaft CGT teilte unterdessen mit, dass die größte Raffinerie des Landes in der Normandie langsam heruntergefahren werde. Damit wurde eine Schwelle überschritten: Seit dem Beginn der Proteste gegen die Rentenreform waren die Treibstofflieferanten blockiert worden, keine der sieben Raffinerien war jedoch komplett zum Stillstand gebracht worden.
Der technisch aufwändige Schritt dauert mehrere Tage und dürfte zunächst nicht zu Benzinengpässen führen. Die CGT drohte damit, spätestens Montag zwei weitere Raffinerien im südöstlichen Lavéra und in Gonfreville-l'Orcher im Nordwesten herunterzufahren.
X.A. Mendez--LGdM