Weiter Kontroversen um Atomausstieg - Merz: Schwarzer Tag für Deutschland
Kurz vor dem endgültigen Atomausstieg am Samstag haben die verschiedenen Lager noch einmal ihre Standpunkte bekräftigt. CDU-Chef Friedrich Merz sprach von einem "schwarzen Tag für Deutschland", der CSU-Vorsitzende Markus Söder von einem "traurigen Kapitel deutscher Energiepolitik". Die Grünen betonten dagegen, der Atomausstieg sei "ein Sicherheitsgewinn". Aus der FDP kam Bedauern, dass die Laufzeiten der drei verbliebenen Akw nicht noch einmal verlängert wurden.
Merz sagte am Freitag dem Sender NDR Info: "Morgen ist ein schlechter Tag." Es könne nicht sein, dass Deutschland drei Kernkraftwerke vom Netz nehme, die die sichersten der Welt seien. Kein anderes Land reagiere auf den Ukraine-Krieg und die verschärfte Energieversorgungslage so wie die Bundesrepublik, kritisierte er.
Merz verwies in diesem Zusammenhang auf die weltweit mehr als 400 laufenden und 60 im Bau befindlichen Atomkraftwerke: "Da stellt sich schon die Frage: 'Wer ist hier eigentlich der Geisterfahrer?'"
Söder kritisierte das Akw-Aus als "absolute Fehlentscheidung". "Während die ganze Welt überlegt, wie sie in diesen Energiekrisen ihr Energieportfolio erweitert, machen wir genau das Gegenteil", sagte der bayerische Ministerpräsident in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Er warf der FDP in dem Zusammenhang "Schwäche" vor. Die Liberalen dächten eigentlich anders, hätten aber "keine Kraft", das zu ändern.
Die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim und Emsland gehen am Samstag vom Netz. Sie trugen zuletzt nur einen kleinen Teil zur Stromerzeugung bei. Eigentlich hätte der Atomausstieg schon zum Jahreswechsel erfolgen sollen; wegen der Energiekrise beschloss die Bundesregierung aber eine Verschiebung der Abschaltung um dreieinhalb Monate.
Der Abschaltprozess soll am Samstag bis Mitternacht vollzogen sein. Isar-2-Betreiber PreussenElektra beginnt am Samstagabend ab etwa 22.00 Uhr mit dem Abschaltprozess, RWE beim Kraftwerk Emsland "im Laufe des Abends". EnBW konnte für Neckarwestheim noch keine Zeit nennen.
FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler forderte,die letzten drei Akw sollten "zumindest betriebsbereit bleiben, damit sie im Fall der Fälle schnellstmöglich reaktiviert werden können". Es wäre sinnvoll gewesen, die Laufzeit "noch ein weiteres Jahr zu verlängern". Dafür habe es in der Koalition aber keine Mehrheit gegeben, bedauerte er.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge erklärten: "Atomkraft ist teuer, sie ist gefährlich und sie ist eine Technologie von gestern." Die Zukunft der Energie sei erneuerbar und klimaneutral, sie sei dezentral und "in Bürgerhand". Erneuerbare Energien seien "Atom beim Klimaschutz, der Wirtschaftlichkeit und technologischen Reife längst haushoch überlegen".
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) schrieb in einem Gastbeitrag für den Berliner "Tagesspiegel": "Wir brauchen die Atomkraft schlichtweg nicht. Es gibt bessere Alternativen." Lemke verwies auf die Problematik der Entsorgung des Atommülls. Es sei eine "teure Jahrhundertaufgabe", den Standort für ein sicheres Endlager zu finden.
Lemke rechnet damit, dass noch 30.000 Generationen mit dem Atommüll leben werden müssen. Das sei "unvorstellbar lange und es ist mir schleierhaft, wie man eine solche Technologie als nachhaltig einstufen möchte".
Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Träger, nannte den Atomausstieg eine "energiepolitische Zeitenwende". Der Ausbau der erneuerbaren Energien sei "eine einzigartige Erfolgsgeschichte" und soll noch in diesem Jahr weiter beschleunigt werden.
Aus Sicht des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) verläuft der Zubau neuer Kapazitäten "nach wie vor zu langsam". Mit der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke "verkleinert Deutschland seinen Technologiemix zur Stromerzeugung in Zeiten einer andauernden Energiekrise", erklärte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner.
AfD-Chefin Alice Weidel forderte, die Bundesregierung müsse "den bevorstehenden Ausstieg aus der Atomenergie stoppen". Die Koalition solle "auf ihre eigenen Bürger hören", sagte Weidel mit Verweis auf Umfragen, wonach die Bundesbürger den Ausstieg mehrheitlich ablehnen.
D.Quate--LGdM