Absoluter Vorrang des Autoverkehrs soll der Vergangenheit angehören
Klima- und Umweltschutz sowie die Gesundheit sollen im Straßenverkehr künftig stärker berücksichtigt werden als bislang und Kommunen sollen dafür mehr Freiräume erhalten. Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) kündigte zugleich an, die Straßenverkehrsordnung entsprechend zu ändern.
Bisher waren Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs wichtige Vorgaben des Straßenverkehrsrechts - das resultierte jahrzehntelang im Vorrang des Autoverkehrs in den Städten. Nach der Anpassung des Straßenverkehrsrechts (StVG) und der Straßenverkehrsordnung (StVO) treten daneben die Ziele des Klima- und des Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung - und die Behörden vor Ort können sich künftig auch nur auf diese Ziele berufen.
"Auf diese Weise wird die Anordnung von Tempo-30-Regelungen erleichtert", erklärte das Verkehrsministerium. Das betreffe Spielplätze, hochfrequentierte Schulwege, Fußgängerüberwege und Streckenabschnitte bis zu 500 Metern zwischen zwei Tempo-30-Strecken, damit der Verkehr besser fließen kann.
Die Behörden vor Ort bekommen so auch die Möglichkeit, Sonderfahrspuren für klimafreundliche Mobilitätsformen anzuordnen - etwa für elektrische oder mit Wasserstoff betriebene Busse, Fahrräder oder Fahrzeuge mit mehreren Menschen. Auch Zonen für das Anwohnerparken können sie einfacher einrichten: Bisher musste im Vorfeld erheblicher Parkdruck nachgewiesen werden, wie das Ministerium erläuterte. Künftig werde ausdrücklich klargestellt, dass bereits prognostische Daten bei der städtebaulichen Planung für diese Zwecke ausreichen.
Minister Wissing erklärte: "Damit gehen wir einen großen Schritt in Richtung einer modernen, klimafreundlichen, fortschrittlichen und sicheren Mobilität." Der Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer (Grüne), nannte die Reform "seit langem überfällig". Die Länder drängten schon lange auf diesen "Paradigmenwechsel".
Ein Bündnis von über 700 Städten fordere mehr Handlungsfreiheit für die Kommunen, um Verkehrsprobleme vor Ort flexibel lösen zu können, betonte Krischer. Dem stehe die Straßenverkehrsordnung heute oft entgegen.
Die Reform des StVG muss vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossen werden. "In einem zweiten Schritt wird die neue Ermächtigungsgrundlage zum Erlass konkreter Maßnahmen durch eine Verordnung ausgefüllt, die die Befugnisse der Behörden vor Ort im Einzelnen regelt", erläuterte Wissings Ministerium. Es habe hierzu einen entsprechenden StVO-Entwurf erarbeitet, der nun mit den Ländern abgestimmt werde. "Ziel ist eine Verabschiedung im Bundesrat noch in diesem Jahr."
V.Vega--LGdM