Aufzeichnungen sichtbarer Videokameras in Kündigungsschutzprozess verwertbar
In einem Kündigungsschutzprozess können sich Arbeitgeber auch dann auf die Aufzeichnungen einer offen sichtbarer Videokamera stützen, wenn nicht alle Datenschutzregeln eingehalten wurden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Donnerstag in Erfurt. (Az: 2 AZR 296/22)
Der Kläger war bei einer Gießerei in Niedersachsen beschäftigt. Diese wirft ihm vor, eine Arbeitsschicht nicht geleistet, sich aber dafür die Vergütung erschlichen zu haben. Der Arbeitgeber kündigte außerordentlich, hilfsweise ordentlich.
Um hinter die Sache zu kommen, hatte der Arbeitgeber nach einem anonymen Hinweis die Videoaufzeichnungen einer Kamera am Werkstor ausgewertet. Die Kamera ist offen sichtbar, zudem weist ein Piktogramm auf sie hin. Die Auswertung ergab, dass der Kläger zwar das Werksgelände betreten, aber schon vor Schichtbeginn wieder verlassen hatte.
Der Kläger behauptet dennoch, er habe an diesem Tag gearbeitet. Die Videoaufzeichnungen dürften wegen verschiedener Datenschutzverstöße nicht verwertet werden. So seien die Aufnahmen nicht zur vorgesehenen Frist gelöscht worden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht waren dem noch gefolgt und hatten sich die Aufzeichnungen daher gar nicht erst angesehen. Diese Urteile hob das BAG nun auf. Die Vorinstanzen hätten sich die entsprechenden Bildsequenzen ansehen müssen.
Nach den einschlägigen deutschen und EU-Regeln spiele es hier keine Rolle, ob es zu Verstößen gegen das Datenschutzrecht gekommen war, so das Gericht. Selbst wenn dies der Fall gewesen sei, dürften die Gerichte die Aufzeichnungen verwenden. Dies gelte jedenfalls, wenn es sich wie hier um eine offen sichtbare Kamera handelt und "vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht". Bei einem derart schwerwiegenden Vorwurf sei eine eventuell zu lange Speicherdauer "grundsätzlich irrelevant".
Anderes könne allerdings gelten, wenn mit einer Überwachungskamera die Grundrechte der Beschäftigten schwerwiegend verletzt werden, wie etwa bei Kameras auf Toiletten oder in Umkleideräumen. Einen derart schwerwiegenden Eingriff gebe es hier aber nicht.
Im Streitfall muss nun das Landesarbeitsgericht Niedersachsen neu in die Beweiserhebung einsteigen und dabei auch die Kameraaufzeichnungen vom Werkstor berücksichtigen.
A.Soto--LGdM