EZB erhöht Leitzinsen erneut - Lagarde erwägt aber Zinspause
Im Kampf gegen die hohe Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen ein weiteres Mal angehoben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde erwog am Donnerstag jedoch, beim nächsten Termin gegebenenfalls eine Pause bei den Zinserhöhungen einzulegen. Aus Wirtschaft und Wissenschaft mehren sich die Rufe danach, es wird befürchtet, dass die Notenbank mit ihren Erhöhungen über das Ziel hinausschießen könnte.
Am Donnerstag beschloss der EZB-Rat aber zunächst eine Erhöhung der Leitzinssätze um jeweils 0,25 Prozentpunkte auf das nunmehr höchste Niveau seit Anfang 2001. Der zentrale Satz, zu dem Geschäftsbanken sich Geld bei der EZB leihen können, steigt auf 4,25 Prozent, der für Sparer wichtige Einlagenzins auf 3,75 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz zur kurzfristigen Beschaffung von Geld auf 4,5 Prozent.
Die Inflation werde voraussichtlich "zu lange zu hoch bleiben", erklärte die Bank zur Begründung. Im Juni hatte die Teuerungsrate in der Eurozone bei 5,5 Prozent gelegen und dürfte laut EZB weiter sinken. Das Zwei-Prozent-Ziel bleibe aber noch weit entfernt. Der EZB-Rat sei zugleich "entschlossen", die Teuerung mittelfristig wieder auf das gewünschte Niveau zu bringen.
Lagarde kündigte anschließend jedoch an, mit einer "unvoreingenommenen Haltung" an die nächsten Zinsentscheidungen im September und danach heranzugehen. Die verfügbaren wirtschaftlichen Daten würden darüber entscheiden, "ob wir die Zinsen erhöhen oder ob wir eine Pause machen werden". Eine Zinssenkung in den kommenden Monaten schloss die EZB-Präsidentin aus.
Wirtschaftswissenschaftler haben sich bereits für eine Zinspause ausgesprochen. Sie verwiesen auf die Folgen der hohen Zinsen wie die Probleme in der Baubranche und einen Rückgang der Firmenkreditvergabe. Sparkassenpräsident Helmut Schleweis lobte vor diesem Hintergrund, dass die EZB sich "mit kleinen Schritten vorantastet". Künftig "sollte sie noch vorsichtiger sein". Denn: Die bisherigen Zinsschritte zeigten bereits Wirkung. Bei den Preisen sei eine "Tendenz zur Beruhigung" zu erkennen, es sei Zeit für eine Zinspause.
Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), erklärte, die Unternehmen hätten die erneute Leitzinserhöhung erwartet. Dieser Schritt sei notwendig und bei vielen Betrieben bereits eingepreist. "Jetzt geht es aber um die Frage, wie es weiter geht."
Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Kiel, Moritz Schularick, wurde deutlicher: Es spreche vieles dafür, "jetzt zunächst die realwirtschaftlichen Effekte abzuwarten und eine Pause einzulegen, um die Auswirkungen der Zinserhöhungen valide bewerten zu können". Die Effekte seien inzwischen deutlich sichtbar: Der Immobilienmarkt sei eingebrochen und die Firmenkreditvergabe deutlich gefallen. "Die Wolken am Konjunkturhimmel verdunkeln sich", erklärte er.
Schon vor der Entscheidung des EZB-Rates hatte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, gemahnt: "Das, was die EZB macht, kostet kurzfristig Wohlstand, kostet Einkommen von Menschen." Ein Beispiel dafür seien die aktuellen Probleme in der Baubranche wegen der hohen Zinsen, sagte er der Mediengruppe Bayern. "Die milde Rezession, die wir gerade durchlebt haben, geht jedenfalls letztlich auf die Zinspolitik der EZB zurück."
Neben der Zinserhöhung beschloss der Rat der Zentralbank, die Mindestreserven künftig nicht mehr zu verzinsen. Dabei handelt es sich um Geld, dass die Banken bei der EZB hinterlegen müssen. Durch den Beschluss "bleibt die Wirksamkeit der Geldpolitik gewahrt", erklärte die Zentralbank. Angesichts der hohen Zinsen war die Verzinsung der Mindestreserve zuletzt als "Subvention" für Banken kritisiert worden.
Am Mittwoch hatte bereits die US-Notenbank Fed ihren Leitzins ebenfalls auf das höchste Niveau seit 2001 gesetzt. Im Juni hatten die US-Zentralbanker eine Pause bei ihren Zinserhöhungen eingelegt, nun stiegen die Leitzinssätze wieder um 0,25 Prozentpunkte auf 5,25 bis 5,5 Prozent. Wie es in den kommenden Monaten weitergehe, ließ Fed-Präsident Jerome Powell weitgehend offen: Die Bewertungen würden "von Sitzung zu Sitzung" vorgenommen.
Y.Suarez--LGdM