Cannes: Goldene Palme für US-Regisseur Baker und Jury-Preis für Iraner Rasoulof
US-Regisseur Sean Baker hat am Samstag für seinen Film "Anora" die Goldene Palme beim Filmfestival von Cannes erhalten. Der Film erzählt die Geschichte einer Prostituierten, die sich mit einem russischen Oligarchensohn einlässt. Kritiker bezeichneten den Film mit Schauspielerin Mikey Madison in der Hauptrolle als eine moderne Version von "Pretty Woman". Baker widmete den Preis "allen Sex-Arbeiterinnen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft".
Baker hatte zuvor in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP gesagt, er halte es für eine schlechte Idee, wenn Regierungen versuchten, Prostitution einzuschränken. Bei der Preisverleihung sagte der 53-Jährige, er wolle sich dafür einsetzen, dass Filme weiter in die Kinos, auf die große Leinwand kommen. "Ein Film auf dem Mobiltelefon oder zu hause zu sehen, das ist nicht dasselbe", sagte Baker.
Die Jury-Vorsitzende Greta Gerwig sprach von einem "großartigen Film voller Menschlichkeit", der "uns mitgerissen hat".
Der zuvor als Favorit gehandelte iranische Filmemacher Mohammad Rasoulof wurde mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet. Rasoulof war kurz vor Beginn des Festivals die gefährliche Flucht auf dem Landweg aus seiner Heimat gelungen. Er war dort nach Kritik an der iranischen Führung zu acht Jahren Haft und Peitschenhieben verurteilt worden.
Der 51-Jährige, der 2020 den Goldenen Bären in Berlin erhalten hatte, hatte seinen komplett heimlich gedrehten Film "Der Samen der heiligen Feige" vorgestellt. Er erzählt die Geschichte eines iranischen Richters, der sich als Handlanger der Regierung fühlt und zunehmend unter Gewissenskonflikten leidet.
Es ist ein bittersüßer Erfolg für Rasoulof, denn er markiert zugleich den Beginn eines dauerhaften Lebens im Exil. "Ich habe im Moment keine Pläne, in den Iran zurückzugehen", hatte Rasoulof in Cannes in einem AFP-Gespräch gesagt.
Der Preis für die beste Schauspielerin ging in an die Darstellerinnen der originellen Musikkomödie "Emilia Perez" des französischen Filmemachers Jacques Audiard. Zu ihnen zählen Selena Gomez und die transsexuelle spanische Schauspielerin Karla Sofía Gascón. Der Film über einen mexikanischen Drogenboss, der sich zu einer Geschlechtsumwandlung entscheidet, wurde zudem mit dem Preis der Jury ausgezeichnet.
Während der Abschlussgala erhielt der "Star Wars"-Erfinder George Lucas eine Ehrenpalme für sein Lebenswerk. Sein langjähriger Kollege und Partner Ford Francis Coppola überreichte ihm die Auszeichnung. Coppola hatte selber seinen Monumentalfilm "Megalopolis" im Wettbewerb, der bei Kritikern aber weitgehend durchgefallen war.
Das zwölf Tage dauernde Festival an der Côte d'Azur hatte anfangs unter dem Schatten von #Metoo gestanden. Die Schauspielerin Judith Godrèche hatte für einen in Cannes gezeigten Kurzfilm 1000 Menschen versammelt, die sich als Opfer sexueller Gewalt sehen. Im Lauf des Festivals wurden jedoch keine neuen mutmaßlichen Skandale mit Prominenten aus der Filmwelt bekannt.
Lediglich vier der 22 Filmen im Wettbewerb sind von Frauen gemacht: Zwei von ihnen wurden mit Auszeichnungen bedacht. Die Französin Coralie Fargeat wurde für ihr Horrorfilm "The Substance" mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Die indische Regisseurin Payal Kapadia erhielt den Großen Preis der Jury für "All we imagine as light".
Deutsche Filme waren in diesem Jahr nicht in Cannes vertreten. Der Film von Rasoulof war jedoch eine iranisch-französisch-deutsche Koproduktion. Einen Starttermin in Deutschland gibt es allerdings noch nicht. Deutsche Schauspieler waren in mehreren Wettbewerbsfilmen zu sehen, etwa Diane Kruger in David Cronenbergs Film "The Shrouds" (Das Leichentuch) und Franz Rogowski in dem Film "Bird" der britischen Filmemacherin Andrea Arnold.
P.Ortega--LGdM